Musteranträge von SFR und Infobus zur dezentralen Unterbringung

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Wir informieren mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat geflüchtete Menschen in Lagern. Es ist eine Information, wie sie ihr Recht auf Schutz der Gesundheit wahrnehmen können. Weitere Übersetzungen sind in Arbeit!

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat am 22. April 2020 entschieden: Ein Bewohner einer Aufnahmeeinrichtung bei Leipzig muss nicht mehr dort leben. Er fand, dass er sich in der Aufnahmeeinrichtung nicht genug vor dem Corona-Virus schützen kann. Daher hat er sich gegen das Land Sachsen gewandt. Dafür hat er einen Eilantrag gestellt und das Gericht gab ihm Recht. Auch das Verwaltungsgericht Dresden sieht das so. Es hat zwei Frauen Recht gegeben.

Grund ist die Ansteckungsgefahr mit dem Corona-Virus. Die Gerichte haben entschieden: die Menschen muss dezentral untergebracht werden. Und zwar so, dass sie den Mindestabstand einhalten können.

Im Asylgesetz steht: Wenn Menschen neu in Deutschland ankommen und Asyl suchen, müssen sie in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen. Das Asylgesetz sagt aber auch: diese Pflicht kann enden. Gründe können die Gesundheitsvorsorge und der Infektionsschutz sein.

Die Begründung der Verwaltungsgerichte für die Beschlüsse ist also:

1. die Ausbreitung des Corona-Virus muss verhindert werden und

2. der Bewohner selbst muss vor einer Ansteckung geschützt werden.

In Aufnahmeeinrichtungen in Sachsen müssen sehr viele Menschen zusammenleben. Die Bewohner teilen sich Zimmer, Essensräume und sanitäre Anlagen. Deswegen ist es nicht möglich, 1,5 m Abstand zu anderen Personen in den Gemeinschaftsräumen und sanitären Anlagen zu halten.

In Sachsen gilt seit dem 17. April 2020 die Corona-Schutzverordnung. Hier steht, dass Kontakte zu anderen Personen reduziert werden müssen. Es ist ein Mindestabstand von 1,5 m zu anderen Menschen einzuhalten – außer zu denen, mit denen man zusammen wohnt. Diese Regeln gelten in allen Lebensbereichen, also laut dem Verwaltungsgericht auch in der Aufnahmeeinrichtung.

Das Verwaltungsgericht Leipzig hat außerdem gesagt: Gerade in Asylbewerberunterkünften ist die Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus wichtig. Das Robert-Koch-Institut glaubt: Personen, die eine körperlich und psychisch belastende Flucht hinter sich haben und sich neu orientieren müssen, können sich eher mit dem Corona-Virus anstecken.

In Sachsen ist die Landesdirektion zuständig für die Unterbringung von Asylbewerber:innen, wenn sie in Deutschland ankommen. Sie muss dafür sorgen, dass Personen, die einen Eilantrag gestellt haben, verlegt werden. Dafür muss ein Eilantrag erfolgreich sein. Erfolgreich ist ein Eilantrag, wenn ein Verwaltungsgericht einen Beschluss fasst, die Person zu verlegen. Alle, die in einer großen Unterkunft leben, können einen Antrag auf dezentrale Unterbringung stellen.

Das gilt auch in anderen Bundesländern: denn die Corona-Verordnungen und die Zustände in den Unterkünften sind überall sehr ähnlich.

Einiges ist aber zu beachten:

  • Die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte regeln die Unterbringungssituation nur, solange wie die Corona-Schutzverordnung in Sachsen oder in anderen Bundesländern gelten.
  • Ein Eilrechtsschutzantrag funktioniert nur, wenn Sie sich vorher bereits erfolglos an die Landesdirektion gewandt haben (oder die in ihrem Bundesland zuständige Behörde) [MUSTER HIER ZUM DOWNLOAD VERLINKT]
  • Ein Antrag auf Umverteilung ist nicht für alle die beste Lösung: Gruppen, die derzeit ganz froh sind gemeinsam zu leben, aber keine Familie sind, könnten dadurch getrennt werden.
  • Menschen, die einen Antrag stellen, haben keinen Einfluss darauf wohin sie nach Erfolg des Antrag ziehen müssen, in welche Stadt, in welche Unterkunft oder Wohnung. Es kann auch sein, dass ein Mensch nach dem Auszug aus einer Aufnahmeeinrichtung wieder in einer Gemeinschaftsunterkunft leben muss. Menschen können aber im Antrag schreiben, dass sie in eine bestimmte Kommune ziehen möchten. Dafür kann es auch gute Gründe geben. Zum Beispiel eine ärztliche Behandlung, die nicht abgebrochen werden darf.
  • der Antrag hat wahrscheinlich nur bei Personen Erfolg, die über 35 Jahre alt sind. Es sei denn es gibt andere persönliche medizinische Umstände z.B. Vorerkrankungen.

Will ich einen Eilantrag auf dezentrale Unterbringung stellen brauche ich dafür folgendes:

1. Einen Eilantrag auf dezentrale Unterbringung (dafür gibt es eine Vorlage)

2. Einen Nachweis über den Wohnort: es reicht eine Kopie der Vor- und Rückseite des Aufenthaltstitels

3. Einen Bericht über die eigene Lebenssituation, insbesondere:

  • Wie groß ist das Zimmer, in dem ich wohne?
  • Wie viele Menschen leben in dem Zimmer?
  • Wie viele Toiletten und Waschräume gibt es für wie viele Menschen?
  • Wie viele Menschen teilen sich eine Küche?
  • Sind (immer) Seife und Desinfektionsmittel vorhanden?

4. wenn vorhanden:. zu berücksichtigende persönliche Belange

Wenn Sie auch Prozesskostenhilfe beantragen wollen, brauchen Sie außerdem:

  • Antrag auf Prozesskostenhilfe
  • AsylbLG-Bescheid (Bekommen Sie in Ihrer Unterkunft, falls Sie keinen haben)

Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an uns oder eine andere, lokale Asylberatungsstelle in Sachsen.

Offener Brief an Land und Kommunen zu Unterbringungskonzepten in Sachsen anlässlich der Corona-Pandemie

Sehr geehrte Damen und Herren,


durch die Initiative der BewohnerInnen der Erstaufnahmeeinrichtung Dölzig und deren Brief an die Malteser und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) haben wir von den sehr schlechten Zuständen in der dortigen Unterkunft und den Problemen und Ängsten der BewohnerInnen erfahren. Bereits vorher hatten wir in Beratungssprechzeiten und durch den dortigen Kontakt zu Beratungssuchenden, durch die gemeinsame Arbeit, das Gespräch oder über die Medien die unzureichenden Lebensbedingungen in Aufnahmeeinrichtungen und Geflüchtetenunterkünften in und um Leipzig wahrgenommen. Durch die Corona-Pandemie werden diese Missstände nun noch deutlicher.


Die Bedingungen sind in allen Unterkünften unterschiedlich und können nicht pauschal zusammengefasst werden. Jedoch stehen alle Unterkünfte für eine zentrale Unterbringung von Menschen auf einem eingeschränktem Lebensbereich. Nicht nur in den Aufnahmeeinrichtungen, sondern auch in kleineren Gemeinschaftsunterkünften leben Menschen oft auf viel zu engem Raum.


Die derzeitigen Empfehlungen und Anordnungen für den Lebensalltag sprechen von möglichst großer sozialer Distanz, besonderer Rücksicht auf Hygiene und Desinfektion und Einschränkung im Alltag auf das Nötigste. Wir fragen uns, wie diese Standards von den Bewohnenden der Sammelunterkünfte umgesetzt werden sollen. Durch eine oftmals vorhandene  Unterbringung in Mehrbett-Zimmern, in denen die Menschen nur einen Meter voneinander entfernt schlafen sowie eine gemeinsame Nutzung von Sanitäranlagen und Küchen, ist ein Sicherheitsabstand zu anderen nicht realistisch.


Beispielhaft dafür stehen die Bedingungen in der Erstaufnahmeeinrichtung Dölzig: Das Aufhalten in einem 5-Personen-Zimmer erschwert nicht nur das Aufrechterhalten der notwendigen Distanz, sondern erhöht auch die psychische Belastung, die durch die derzeitige Ausnahmesituation besteht. Die isolierte Lage, die zahlreichen Einschränkungen und das Fehlen nennenswerter Privatsphäre wären erst recht unter Quarantäne unzumutbar. Die Hygiene-Standards sind schwer umzusetzen, da lediglich geteilte Sanitäranlagen vorhanden sind, deren Reinigung und Ausstattung mit Toilettenpapier, Seife und Desinfektionsmittel unzureichend ist, wenn nicht sogar ganz ausbleibt.

Im wahrscheinlichen Falle einer Infektion eines Bewohners oder einer Bewohnerin wird so in Kauf genommen, dass sich das Virus schnell ausbreiten kann. Wir haben große Sorge davor, dass dann die einzige Lösung darin besteht, die gesamte Einrichtung zwangsweise in Quarantäne zu setzen, wodurch die jetzigen Bedingungen eklatant verschärft würden. Dies darf nicht sehenden Auges in Kauf genommen werden!
Im ganzen Land ist die Rede von Solidarität. „Das Virus unterscheidet nicht“, heißt es. Solidarität mit den Risikogruppen, Solidarität mit den ÄrztInnen und Gesundheits- und KrankenpflegerInnen. Wenn aber unsere Solidarität mit dem Aufenthaltstitel endet, dann sollten wir uns schämen, das Wort je wieder zu benutzen.


Die Forderung, Sammelunterkünfte abzuschaffen und geflüchtete Menschen dezentral in den Kommunen unterzubringen, ist nicht erst durch die Corona-Krise entstanden. Sie ist wohl so alt wie Sammelunterkünfte selbst. Massenunterkünfte behindern nicht nur die Integration und führen zu psychischen Belastungen oder verschlimmern bereits vorhandene; Orte wie diese, an denen so viele Menschen auf so engem Raum zusammen leben müssen, bieten auch der Verbreitung von Krankheiten die perfekte Grundlage.
Jetzt ist es durch den Coronavirus zu einem dieser Worst-Case-Szenarios gekommen und es wäre unverantwortlich, unsolidarisch und ausgrenzend, gerade jetzt wegzuschauen, nicht zu handeln und Menschen auf Grund ihres Aufenthaltstitels das Recht auf Gesundheit zu verwehren, auf das das ganze Land im Moment so vehement pocht!


In Deutschland stehen derzeit hunderttausende Hotelzimmer leer (laut DaMigra schätzungsweise 1,85 Mio.!). So viele, dass es ein Leichtes wäre, Geflüchtete aus den Sammelunterkünften dort in kleineren Gruppen einzuquartieren – was dazu noch den Hoteliers durch die Krise helfen dürfte. Was fehlt, ist der politische Wille. Das muss sich ändern, und zwar sofort. Alles andere hieße: Es geht eben nicht darum, alle Menschen gleichermaßen vor dem Virus zu schützen. In Berlin wurde unlängst eine, durch die Corona-Verordnungen ungenutzte Jugendherberge für Obdachlose geöffnet. Dies zeigt die nötige und mögliche Initiative, die nun auch in Leipzig und Sachsen angebracht ist.
Wir wollen dieses „zweierlei Maß“, mit dem hier gemessen wird, nicht länger hinnehmen und erwarten eine gleichberechtigte Behandlung der Geflüchteten, deren Gesundheit ebenso wichtig ist wie die der Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit.
Deshalb fordern wir:

  1. Eine dezentrale Unterbringung von Bewohnenden aller sächsischen Aufnahmeeinrichtungen. Dafür sollten sich auch die Stadt Leipzig und die Landkreise einsetzen, da die betroffenen Menschen schließlich dort leben.
  2. Eine dezentrale Unterbringung von Bewohnenden aller großen kommunalen Gemeinschaftsunterkünfte. Dadurch wäre eine Entzerrung der Wohnsituation möglich und der Sicherheitsabstand gewährleistet.
  3. Eine adäquate Betreuung, falls zuvor Infektionsfälle auftreten. Ein Abriegeln der gesamten Unterkunft oder einzelner Gebäudeteile hätte eher die Wirkung eines Strafarrests als einer Sicherheitsmaßnahme.
  4. besonderen Schutz von Geflüchteten, die zu den Risikogruppen gehören, wie ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen.

Wir rufen Sie auf, die katastrophalen Bedingungen in Sammelunterkünften und das damit verbundene extreme Ansteckungsrisiko von Geflüchteten nicht länger zu akzeptieren und endlich angemessene Mittel in die Wege zu leiten, die zum Schutz aller Menschen beitragen!

Es kann nicht zugelassen werden, dass in der derzeitigen Ausnahmesituation Menschen das Gefühl haben, sich und ihre Angehörigen selbst nicht schützen zu können.
Mit freundlichen Grüßen und der Bitte um Antwort,


Infobus Leipzig


Der offene Brief wurde außerdem von folgenden Inititiativen unterzeichnet:


AG „Stay“ vom Dorf der Jugend Grimma
Aktionsnetzwerk „Leipzig nimmt Platz“
Bon Courage e.V.
Café Internationale
Chronik LE
Copwatch Leipzig
Feministische Bibliothek MONAliesA
Initiative Weltoffenes Gohlis
Initiativkreis: Menschen.Würdig e. V.
Kritischen Jurist*innen Leipzig
Landesverband Sachsen der SJ – Die Falken
Medinetz Leipzig e.V.
MoMe’n’more – Monitor Merseburg
Peperoncini e.V.
Rassismus Tötet!
Sächsischer Flüchtlingsrat e.V.
sidekick e.V.